Barrierefreies Reisen: Über den Horizont hinaus gedacht
14.12.2021
Fliegen wird oft mit Freiheit assoziiert - eines unserer wichtigsten Grundrechte. Barrierefreies Reisen ist dabei ein wichtiges Stichwort: Zahlreiche Vorschriften sollen sicherstellen, dass Personen mit eingeschränkter Mobilität (PRM) in keiner Weise benachteiligt werden. Flugzeuge sollen einen barrierefreien Zugang zu Toiletten, Sitzen und vielem mehr bieten - aber nicht alle Flotten bieten ein barrierefreies Flugerlebnis an. Gründe dafür liegen zum Teil an den unterschiedlichen Vorschriften einzelner Länder oder Staatenverbunden. Der folgende BLOG gibt einen Überblick über die wichtigsten gesetzlichen Regelungen.
Europäische Vorschriften und Vereinbarungen für Flugreisen von Personen mit eingeschränkter Mobilität
Die wichtigste europäische Rechtsvorschrift, die die Rechte von Personen mit eingeschränkter Mobilität bei Flugreisen regelt, ist die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006. Die Verordnung gilt für alle europäischen Luftfahrtunternehmen und deren Flüge, die von einem europäischen Flughafen abfliegen oder dort ankommen; sie gilt auch für europäische Luftfahrtunternehmen, die von einem Flughafen außerhalb der Europäischen Union (EU) abfliegen oder dort ankommen. Dabei definiert die Verordnung die Rechte von eingeschränkter Mobilität oder Behinderung bei Flugreisen.
Barrierefreies Reisen
Barrierefreies Reisen bedeutet, dass alle wesentlichen Informationen und Reisemittel für behinderte Menschen oder Personen mit eingeschränkter Mobilität in alternativen Formaten zur Verfügung gestellt werden.
Die wichtigsten Punkte dieser Verordnung des Europäischen Parlaments lauten wie folgt:
- Personen mit eingeschränkter Mobilität haben das gleiche Recht auf Freizügigkeit, Wahlfreiheit und Nichtdiskriminierung wie alle anderen Bürger. Dies gilt für Flugreisen ebenso wie für andere Bereiche des normalen Lebens.
- Personen mit eingeschränkter Mobilität müssen zur Beförderung zugelassen werden und dürfen nicht aufgrund ihrer Behinderung oder mangelnden Mobilität abgewiesen werden, solange die Sicherheit im Flugzeug nicht beeinträchtigt wird.
- Im Falle einer Unterbrechung der Flugreise gelten dieselben Erstattungsansprüche und Umbuchungsregeln.
- Für Flughäfen gilt die gleiche Regel wie für den Luftverkehr. Flughäfen müssen ihren Bedarf an Dienstleistungen für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität decken. Dazu muss das Personal geschult werden und die richtige Ausrüstung muss ohne zusätzliche Kosten zur Verfügung stehen. (EG 1107/2006, 2006a).
Wichtige rechtliche Meilensteine
Die wichtigsten Meilensteine in den Gesetzen und Vereinbarungen zur PRM-Perspektive gehen auf das Jahr 1986 zurück. In den Vereinigten Staaten wurde der Air Carrier Access Act (ACAA) veröffentlicht, der jegliche Diskriminierung von behinderten Fluggästen durch Luftfahrtunternehmen verbietet. Das Gesetz hat die Behandlung von behinderten Fluggästen erheblich verbessert.
Kanadisches Gesetz für die Zugänglichkeit im nationalen Verkehrswesen & Accessible Canada Act
1987 wurde in Kanada das Gesetz für die Zugänglichkeit im nationalen Verkehrswesen (Accessibility in National Transportation Act) veröffentlicht, welcher auch heute als Accessible Canada Act in Kraft ist. Diese Verordnung verpflichtet Organisationen, Standards zu entwickeln, Empfehlungen auszusprechen, die Beseitigung von Barrieren zu fördern, zu unterstützen und zu erforschen sowie neue Barrieren zu verhindern. Die Bereitstellung von Informationen und bewährten Verfahren wird durch dieses Gesetz vorgeschrieben (Accessible Canada Act 2019).
Americans with Disabilities Act (ADA) und Air Carrier Access Act (ACAA)
Im Jahr 1990 wurden in den USA zwei weitere Gesetze verabschiedet:
- Der Americans with Disabilities Act, der die Diskriminierung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens verbietet (Americans with Disabilities Act 1990) und
- die endgültige ACAA-Verordnung (US-Verkehrsministerium, 1990, 14 CFR Teil 382).
Australisches Gesetz zur Diskriminierung von behinderten Personen
1992 wurde das australische Behindertendiskriminierungsgesetz (Disability Discrimination Act, DDA) verabschiedet. Nach diesem Gesetz ist es verboten, eine Person aufgrund einer Behinderung oder der Behinderung von Angehörigen, wie Freunden, Partnern, Unterstützungspersonen oder sogar Familienmitgliedern, zu diskriminieren (Disability Discrimination Act 1992).
Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 über die Rechte von Flugreisenden mit Behinderungen und das Europäische Gesetz über die Barrierefreiheit
Das Jahr 2006 war ein wichtiges Jahr in der Europäischen Union, da die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 veröffentlicht wurde. Acht Jahre später, im Jahr 2014, veröffentlichte die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) die Verordnung über die Beförderung besonderer Kategorien von Fluggästen (EASA 2014).
Das Jahr 2019 war herausragend, da es drei wichtige Meilensteine gab:
- Der Europäische Rechtsakt zur Barrierefreiheit wurde nach vier Jahren verabschiedet.
- Die Accessible Transportation for Persons with Disabilities Regulations Canada wurden überarbeitet, ebenso wie die
- EC1107/2006.
US-Vorschriften
Die DOT-Verordnung 14 CFR Part 382 betrifft den europäischen Luftverkehr. Sie legt einige spezifische Standards für Luftfahrtunternehmen fest, die von Europa in die Vereinigten Staaten von Amerika oder umgekehrt fliegen (US Department of Transportation 2020b). Die Vorschrift 382.67(g) besagt, dass ausländische Luftfahrtunternehmen, die in die Vereinigten Staaten fliegen, in der Kabine ausreichend Platz für die Unterbringung von Rollstühlen der Passagiere vorsehen müssen. Diese Vorschrift gilt für alle Flugzeuge mit 100 oder mehr Sitzen.
Als ausländisches Luftfahrtunternehmen müssen Sie die Anforderungen dieses Abschnitts für neue Flugzeuge erfüllen, die nach dem 13. Mai 2009 bestellt oder nach dem 13. Mai 2010 ausgeliefert werden.
US Department of Transportation, 2020c
Rollstuhlgerechte Toilette
Rollstuhlgerechte Toiletten sind in vielen der heutigen Großraumflugzeuge vorhanden, aber nicht jedes Flugzeug ist damit ausgestattet. Nach US-amerikanischem Recht müssen Fluggesellschaften in Flugzeugen mit mehr als 60 Passagiersitzen einen Bordrollstuhl (OBW) ohne eine behindertengerechte Toilette bereitstellen (US Department of Transportation, 2020d). Die europäische Gesetzgebung schreibt derzeit weder OBWs noch barrierefreie Toiletten in Schmalrumpfflugzeugen vor.
Schmalrumpfflugzeuge
Einige Fluggesellschaften haben zwar barrierefreie Toiletten in Schmalrumpfflugzeugen installiert, sind aber rechtlich nicht dazu verpflichtet, dies zu tun. Reisende können sich also nicht darauf verlassen, dass in einem Schmalrumpfflugzeug eine barrierefreie Toilette vorhanden ist.
In Europa sind Luftfahrtunternehmen verpflichtet, Personen mit eingeschränkter Mobilität über mögliche Einschränkungen im Zusammenhang mit unzugänglichen Toiletten, fehlenden beweglichen Armlehnen und Sitzplatzbeschränkungen zu informieren (Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Artikel 4 und 5). Die Betreiber werden aufgefordert, mögliche Einschränkungen in der Kabine auf ihrer Website anzugeben. Für Personen mit eingeschränkter Mobilität ist es daher ratsam, sich bei der Buchung zu erkundigen, welcher Flugzeugtyp für die jeweilige Strecke vorgesehen ist.
Unterschiede zwischen den Vorschriften der USA und der EU
Die Hauptunterschiede zwischen den US- und den EU-Vorschriften bestehen darin, dass US-Fluggesellschaften nach der DOT-Verordnung allein für die Bereitstellung von Zugänglichkeitsdiensten für Personen mit eingeschränkter Mobilität verantwortlich sind. In den EU-Vorschriften sind die Zuständigkeiten zwischen Flughäfen und Fluggesellschaften aufgeteilt. Dementsprechend sind Fluggesellschaften in der EU nur für die Hilfe an Bord verantwortlich.
Verbesserungsvorschläge
Das US-Verkehrsministerium befasst sich derzeit eingehend mit diesem Thema und hat ein Verfahren zur Einholung von Stellungnahmen eingeleitet. Das vorgeschlagene Dokument mit dem Titel "Accessible Lavatories on Single-Aisle Aircraft; Part 1" (Zugängliche Toiletten in Single-Aisle-Flugzeugen; Teil 1) definiert die Notwendigkeit, die US-Vorschriften zu ändern. Mit dieser speziellen Bekanntmachung eines Regelungsvorschlags (Notice of Proposed Rulemaking, NPRM) sollen spezifische Maßnahmen zur Verbesserung der Zugänglichkeit von Toiletten in Flugzeugen mit nur einem Gang und 125 oder mehr Passagiersitzen vorgeschlagen werden. Dabei werden die Bedürfnisse von Fluggästen mit eingeschränkter Mobilität und behinderten Fluggästen besonders berücksichtigt.
Zu den umfangreichen Verbesserungsvorschlägen gehören:
- Änderungen an der Innenausstattung der Toilette.
- Zusätzliche Dienstleistungen im Zusammenhang mit dem Zugang zur Toilette
- Neue Schulungsanforderungen und Verbesserungen bei der Beförderung von OBWs
In Bezug auf den Bordrollstuhl (OBW) sind drei Hauptvorschläge enthalten:
- Der OBW sollte in der Lage sein, im Gang eines Schmalrumpfflugzeugs zu fahren.
- Der OBW sollte über einen geeigneten, zertifizierten Stauraum an Bord verfügen, in den er problemlos hineinpasst.
- Der OBW sollte ohne jegliche Änderungen an der Innenausstattung der derzeitigen Flugzeugtoiletten funktionieren. Dies scheint ein wenig kompliziert zu sein, da OBWs in den derzeitigen Toiletten normalerweise nicht funktionieren.
Was ist mit den europäischen Vorschriften?
Für die Europäische Union legt die Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 Regeln für den Schutz und die Hilfe für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität bei Flugreisen fest. Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1107/2006 sollten Flughäfen und Luftfahrtunternehmen das Dokument 30 bei der Organisation der Hilfeleistung für behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität sowie bei der Schulung ihres Personals berücksichtigen. Das Dokument 30 der Europäischen Zivilluftfahrtkonferenz (ECAC) ist ein Leitfaden für die Organisation der Hilfeleistung. Für europäische Länder außerhalb der EU müssen die jeweiligen nationalen Vorschriften berücksichtigt werden.
Die europäische Gesetzgebung EC 1007/2006 wird derzeit überarbeitet und aktualisiert - die Ergebnisse werden frühestens 2022 erwartet.
Die Verordnung EG 1107/2006 muss überarbeitet werden. Alle Dienstleistungen sollten unabhängig vom Flugzeugtyp erbracht werden. Die EU-Grenze könnte mehr oder weniger der geplanten US-Verordnung entsprechen, d. h. alle Flugzeuge mit mindestens 125 Sitzplätzen müssen über einen OBW und eine zugängliche Toilette verfügen.
Schlussfolgerung
Verordnungen und Leitlinien zur Barrierefreiheit bieten eine gute Grundlage für ihre Umsetzung, aber sie können sie oder ihre praktische Anwendung nicht garantieren. In Europa wäre die EU-Verordnung (EG) 1107/2006, Anhang II, das richtige Instrument, um die Forderung nach barrierefreien Toiletten in allen Flugzeugen aufzunehmen. Anhang II besagt lediglich, dass der Betreiber alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen muss, um den Bedürfnissen von Personen mit eingeschränkter Mobilität gerecht zu werden, einschließlich der Unterstützung bei der Benutzung der Toiletten (EG 1107/2006 Anhang II 2006b). Die Verordnung EG 1107/2006 muss überarbeitet werden. Alle Dienstleistungen sollten unabhängig vom Flugzeugtyp erbracht werden. Die EU-Grenze könnte mehr oder weniger der geplanten US-Verordnung entsprechen, d. h. alle Flugzeuge mit mindestens 125 Sitzplätzen müssen über einen OBW und eine zugängliche Toilette verfügen. Das würde Fluglinien auch vor potenziellen Beschwerden von Personen mit eingeschränkter Mobilität oder Behinderung schützen.
Barrierefreie Toiletten in Schmalrumpfflugzeugen sind ein Ausweis für eine moderne Fluggesellschaft. Inklusives Design und inklusives Marketing sind nicht nur eine zeitgemäße Denkweise, sie sind in der Realität unverzichtbar - für die Bevölkerung, für ein starkes Miteinander, für den Weg in die Zukunft. Diese Themen sind ein wichtiges Zeichen und ein großer, bedeutender Schritt in Richtung #EqualEverywhere. Ein Schritt, den wir hier, bei FACC, immer gehen werden.